Die Inhalte auf einen Blick [Ausblenden]
- Ist eine Starthilfe nötig? Crowdfunding hilft!
- Crowdfunding – ein altbewährtes Modell!
- Zu erfolgreich!
- Gigantische Ausmaße!
- Kinder des Crowdfunding
- Wie unterstützen Volks- und Raiffeisenbanken das Crowdfunding konkret?
- Wie kann ich am Crowdfunding der Volks- und Raiffeisenbanken teilnehmen?
- Literatur
- Anmerkungen
Ist eine Starthilfe nötig? Crowdfunding hilft!
Der US-amerikanische Journalist James Surowiecki ist es, der im Jahr 2005 jene Welle auslöst, die seither nicht mehr abebben will. Sein Bestseller „Die Weisheit der Vielen“ unterstellt: „Gruppen sind gewöhnlich klüger als Einzelne!“1 Ihre „kollektive Intelligenz“, ihr „Synergiepotenzial“, so befindet er, käme zwar erst oberhalb einer kritischen Masse zum Tragen, würde aber dennoch das „wirtschaftliche, soziale und politische Handeln“ enorm beflügeln. Der kumulative Effekt der großen Menge oder des ‚Schwarms’ (engl. crowd), das ‚Crowdfunding’ also, würde zwar nicht immer zuverlässig ins Schwarze treffen, ganz daneben würde die ‚Crowd’ aber auch nicht liegen können.
Doch was haben Volks- und Raiffeisenbanken damit zu tun?
Kurz gesagt: einiges! Denn scheitern nicht viele blendende Ideen schon zu Beginn ihrer Realisierung? Und das oft nur, weil ein wenig Selbstvertrauen oder ein paar lächerliche Euros fehlen?! Und dabei würde ein kleiner Schubs, ein bisschen Starthilfe in Form einer ‚Spende’ oder eines ‚Kredits’, den entscheidenden ‚Kick’ verleihen können! Wo ein solcher ‚Schubs’ allerdings ganz ausbleibt, beginnt auch schon bald das verbreitete ‚Ideensterben’. Es sei denn, das Modell des ‚Crowdfunding’ käme zum Zug, um den entscheidenden Anstoß zu geben: die immer nötige Anschubfinanzierung. In den letzten Jahren hat sich Crowdfunding überaus erfolgreich etabliert. Zwar bieten Web-Portale (wie z.B. Kickstarter oder Startnext) hierzu ihre Dienste an, allerdings haben diese auch erhebliche Hürden aufgerichtet, bis sie Bewerbungen überhaupt annehmen. Das Problem beginnt schon bei der Auswahl unter europaweit 300 möglichen Crowdfunding-Plattformen und weltweit über 600….
Und dabei geht es auch einfacher!
Vor Ort und meist in nächster Nähe stehen die Geschäftsstellen der Volks- und Raiffeisenbanken bereit. Sie kennen die regionalen Besonderheiten wie ihre Westentasche und können zugleich auf hohe Beratungskompetenz zurückgreifen. Denn, so neu wie die Vokabel Crowdfunding klingen mag, ist sie durchaus nicht. Aus dem Selbsthilfe-Prinzip, das dahinter steht, sind die Volks- und Raiffeisenbanken ursprünglich selber erwachsen! Geht es also darum, Initiativen im regionalen Raum anzuschieben, dann bewegen sich Volks- und Raiffeisenbanken in ihrem ureigenen Element. Ihre Erstberatung kann daher den kürzesten Weg zur Realisierung des eigenen Crowdfunding-Projekts aufzeigen! Sie wissen aus Erfahrung, wie man ‚Finanzierungsbrücken’ baut“.
Crowdfunding – ein altbewährtes Modell!
Schon das Mittelalter – á la Raiffeisen – also weiß davon: „Was eine Hand nicht schafft…“. Über vier Jahrhunderte hin hat es sogar verstanden, das Spenden zum beliebten Massensport zu machen. Seine europaweit durchgeführten Spendenkampagnen werden allzu rasch unter der abschätzigen Vokabel ‚Ablasswesen’ abgetan. Aber das Ergebnis bleibt bemerkenswert: Nicht nur Kirchen wie der Kölner Dom sind aus Ablass-Spenden entstanden, sondern auch Brücken und Hospitäler. Wir nutzen sie noch heute. Und brettern gedankenlos über Straßen, die erst damals entstanden sind! Entsprechend dankbar müssten wir sein für Dämme und Kanäle, die über den Ablass finanziert worden sind und nicht zuletzt für all die ‚Leuchtturmprojekte’, die nicht nur sprichwörtlich erhellend wirken, sondern die immer noch aufrecht stehen und auch heute noch wirklich leuchten!
Großprojekte aller Art gehen letztlich auf das Modell ‚Ablass’ zurück. Das Spendenaufkommen ist beträchtlich gewesen. Es hat nicht einfach nur die Kirche reicher gemacht, sondern es ist auch direkt der Not- und Katastrophenhilfe Bedürftiger zugute gekommen. Aus heutiger Perspektive lässt sich sagen: Die Ziele der einzelnen ‚Büßer’ mögen aufs persönliche Seelenheil fokussiert gewesen oder von Angst vorm ‚Fegefeuer’ angetrieben gewesen sein, der Horizont mag aufs ‚Jenseits’ ausgerichtet gewesen sein, das ja, aber die Ergebnisse aus den gemeinschaftlichen Anstrengungen bleiben nichtsdestoweniger bestehen. Sie sind sehr handfester, diesseitiger Natur!
Zu erfolgreich!
Sogar die Aussage lässt sich treffen, dass der Ablass im Ganzen ‚zu erfolgreich’ gewesen ist. Er hätte sonst kaum inflationäre Erscheinungen wie den Ablass-‚Handel’ hervorbringen können, der schließlich die Reformation auf den Plan gerufen hat, um diesem allzu bunten Treiben ein Ende zu bereiten. Historiker_innen wie Christiane Laudage sprechen daher heute den Ablass ganz neutral als „frühe Form einer Schwarmfinanzierung“ an.3 Und auch Kollegin Annette Kehnel qualifiziert den Ablass als Form des „Crowdfunding“. Zugleich warnt sie davor, den „Unmut der Menge“ zu wecken: „Wer Schwarmfinanzierung betreibt, sollte Schwarmintelligenz nicht unterschätzen. Die Crowd reagiert sensibel auf den Unterschied zwischen sozial-karitativ lokalen Projekten und zentralistisch dirigierter Kapitalanhäufung.“4
Gigantische Ausmaße!
Mit jeder ‚Bußleistung’, die die Gläubigen des Mittelalters auf sich genommen haben, und mit jeder ‚Zahlung’, mit der sie sich von ihren Sünden ‚freizukaufen’ suchten, haben sie der Sache nach einen ‚Spendenscheck’ unterzeichnet. Rechtsverbindlich, mit Namen, Datum und Unterschrift! Entsprechende Vordrucke, Ablassformulare, sind in geradezu „gigantischen Auflagenhöhen“ umgelaufen.5 Vor 1500 sind sie die wichtigste Einnahmequelle der Druckereien gewesen. Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann schätzt sogar, dass „mehr als die Hälfte“ aller Einblattdrucke Ablassdrucksachen waren.6 Als Beispiel: allein „fast 200.000 Dokumente, meist Ablassbriefe und Beichtformulare, wurden für die Benediktinerabtei Montserrat in den letzten Jahren vor 1500 gedruckt.“7 Freilich hat jeder einzelne dieser Schecks die Grundsatz-Frage aufgeworfen, die auch Christiane Laudage stellt: „Wie war dieser Scheck vor Gott gedeckt?“8
Kinder des Crowdfunding
Aber diese Frage darf gerne offen bleiben, solange sich die Schwarmfinanzierung so erfolgreich als ‚Selbstläufer’ erweist, wie sie es damals tat und wie es ihr heute unter anderer Überschrift wieder gelingt. Wo immer sich Finanzierungslücken auftun und riskante Schritte anstehen, da bietet sich das nun wieder aufgefrischte mittelalterliche Modell als Mittel der Wahl an. Es ist kein reiner Kredit und nicht reine Spende, sondern eine Mischform aus beiden. Aber die Hauptsache ist doch, dass innovative Produkte und ‚Start-ups’, die darauf warten, in die Welt treten können. So entstehen die ‚Kinder des Crowdfunding’.
Etwa 40 Prozent aller Crowdfunding-Vorhaben scheitern. Das ist die eine Wahrheit. Die andere Seite der Wahrheit heißt: 60 Prozent sind und bleiben erfolgreich. Ohne die Pilotversuche, ohne die besondere Art der Startfinanzierung, so heißt das, wären sie ‚ungeboren’ geblieben! Also darf das Motto heißen: ‚Versuch macht kluuch’! Jedes mal von neuem belegen Crowdfunding-Aktionen somit das alte Raiffeisen-Motto „Was der Einzelne nicht schafft, das schaffen viele“! Gelingt es, die ‚Menge’ oder ‚Herde’ auf ein gemeinsames Ziel hin zu organisieren, dann sind den Möglichkeiten kaum Grenzen gesetzt! Und es tun sich Perspektiven auf, die keineswegs rein ‚jenseitige’ Angelegenheiten bleiben müssen.
Ungeboren geblieben wären so z.B. prämierte Filme wie „Weit“ von Gwendolin Weisser und Patrick Allgaier: „Die Geschichte von einem Weg um die Welt“ – eine über dreieinhalb Jahre hin dokumentierte Weltumrundung. Ungeboren geblieben wären fröhliche, anregende Bücher wie Stephanie Ristig-Bressers über die oekom-Crowd finanziertes, launiges „Make. World. Wonder“. Ein Buch über das „Weltwunder“ der „17 UN-Ziele“ – als die ‚Last Exit’-Strategie für die Weltgemeinschaft, um der ultimativen ökologischen Krise vielleicht doch noch einmal knapp zu entkommen. Gleiches wäre zu sagen für den werbefreien, unabhängigen Journalismus, wie ihn seit 2014 z.B. das Online-Magazin „Kautreporter“ bietet. Und viele weitere erfolgreiche Crowdfunding-Projekte Musik-CDs, Bauvorhaben u.v.a. ließen sich aufführen. Jedes einzelne verdient, gewürdigt zu werden. Alle folgen sie den Grundideen der Brückenbauer wie Bénézet oder Raiffeisen.
Wie unterstützen Volks- und Raiffeisenbanken das Crowdfunding konkret?
Wie kaum anders zu erwarten, stecken auch beim Crowdfunding die Teufel im Detail. Doch die Riesenprobleme schrumpfen rasch, nehmen sich Volks- und Raiffeisenbanken ihrer an. Für sie sind’s meist alte Hüte! Schließlich können die Genossenschaftsbanken auf reichliche Erfahrungen zurückgreifen. Sie beherrschen das Projektmanagement aus dem Effeff und können den nötigen Beistand leisten. Schon die nächste Ortsfiliale vermittelt den Kontakt zum geeigneten Ansprechpartner. Und schon kann’s zur Sache gehen, um ein realistisches Szenario zu entwickeln. Die Banken selbst werden es dann sein, die die Promotion fürs Projekt übernehmen. Sie stellen es auf der eigenen Website vor und reichen es weiter an ihr zentrales Portal “Viele schaffen mehr!“. Und gelegentlich – etwas Glück gehört immer dazu(!) – beteiligen sie sich darüber hinaus gelegentlich auch mal mit einem ‚Spendenscheck’!
Wie kann ich am Crowdfunding der Volks- und Raiffeisenbanken teilnehmen?
Wer immer seine Idee gut begründen und beschreiben kann, ein Bild oder Video beisteuern kann, hat beste Chancen, ein Crowdfunding-Projekt auf den Weg zu bringen. Der Kontakt zum entsprechenden Berater genügt. Meist findet sich der schon in der nächsten Geschäftsstelle einer Volks- und Raiffeisenbank. Friedrich Wilhelm Raiffeisen lässt recht schön grüßen!
Literatur:
- Honemann, Volker (Hg.) et.al.: Einblattdrucke des 15. und frühen 16. Jahrhunderts. Probleme, Perspektiven, Fallstudien. Berlin-Boston 2000. (URL)
- Kaufmann, Thomas: Die Druckmacher. Wie die Generation Luther die erste Medienrevolution entfesselte. München 2022. (URL)
- Kehnel, Annette: Wir konnten auch anders. Eine kurze Geschichte der Nachhaltigkeit. München 2021. (URL)
- Laudage, Christiane: Das Geschäft mit der Sünde. Ablass und Ablasswesen im Mittelalter. Freiburg 2016. (URL)
- Lovink, Geert: Im Bann der Plattformen. Die nächste Runde der Netzkritik. Bielefeld 2017. (URL)
- Oehmig, Stefan (Hg.): Buchdruck und Buchkultur im Wittenberg der Reformationszeit. Leipzig 2016. (URL)
- Rehberg, Andreas (Hg.): Ablasskampagnen des Spätmittelalters. Luthers Thesen von 1517 im Kontext. Berlin-Boston 2017. (URL)
- Ristig-Bresser, Stephanie: Make. World. Wonder. Für die Welt, die wir uns wünschen. München 2020. (URL)
- Sattler, Karin: Crowdfunding als Geschäftsmodell im Verlagswesen. Wien 2021. (URL)
- Schulz, Jan: Crowdinvesting. Zivilrechtliche Einordnung, aufsichtsrechtliche Anforderungen und steuerliche Aspekte. München 2020. (URL)
- Sternberg, Andre: Crowdfunding. Der beste Weg, um Geld für Projekte zu sammeln. Berlin 2021. (URL)
- Surowiecki, James: Die Weisheit der Vielen. Warum Gruppen klüger sind als Einzelne und wie wir das kollektive Wissen für unser wirtschaftliches, soziales und politisches Handeln nützen können (2005). Kulmbach 2017. (URL)
- Swanson, Robert N. (ed.): Promissory Notes on the Treasury of Merits. Indulgences in Late Medieval Europe. (Brill’s Companions to the Christian Tradition, Vol. 5). Leiden-Boston 2006. (URL)
Anmerkungen:
- Vgl. Surowiecki, 2017
- Im Detail zur Pont Saint-Bénézet vgl. Kehnel 2021, S. 247 ff.. Hier auch weitere Beispiele für „Ablassgelder für Krankenhäuser, Gastfreundschaft, Gefangenenfreikauf und Bildung“. S. 265 ff..
Auch Kehnel spricht im Übrigen das Ablasswesen als „Crowdfunding“ an (S. 273) und bringt weitere Beispiele für „Brücken, Straßen und Deiche“. - Laudage 2016, S. 59 ff..
- Kehnel 2021, S. 275.
- Eisermann, Falk: Ablass und Buchdruck. Neue Funde, neue Forschungen, neue Hilfsmittel.
(S. 411 – 426). In: Ablasskampagnen des Spätmittelalters. Luthers Thesen von 1517 im Kontext. Herausgegeben von Andreas Rehberg. Berlin-Boston 2017. S. 418. (PDF) - Kaufmann, 2022. S. 28.
- Wie Anm. 5, Eisermann
- Laudage, 2016. S. 32.