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- Schecks und Geld: Wer hat’s erfunden?
- Ohne Moos nix los?!
- Erfolgsmodell oder Sackgasse?
- Zahlen Sie lieber in lydischer Münze oder mit babylonischen Schecks?
- Schecks, vergraben im Sand?
- Was gilt? Geld oder Gelt?
- Alles klar? Das Wort drauf!
- Kleine Scheine, große Wirkung
- Was macht Papiere zu Wertpapieren?
- Schecks: Von Alt-Persien bis Alt-Ägypten
- Zahl- und Zahlen-Tafeln, kurz: Schecks
- Bargeldlos in die Hunderttausende
- Der ‚Staatsapparat’ und was er leistet
- Zu Protokoll bitte!
- Von Staats wegen unterwegs auf Staatswegen
- Schecks brauchen ein Scheckgesetz
- Literatur (A-K)
- Literatur (L-Z)
- Anmerkungen
Schecks und Geld: Wer hat’s erfunden?
Das Geld, wie wir es kennen, hat nicht bereits das alte Babylon erfunden. Die Lyder sind’s gewesen. Jedes beliebige Lexikon stellt das übereinstimmend fest.1 ‚Naja, gut und schön’, lässt sich dazu leicht witzeln, ‚aber warum haben sie so wenig davon erfunden?!’ Besser gesagt, haben die Bewohner Kleinasiens im Zeitraum des 7./8. Jahrhunderts v. Chr. auch nicht das Geld als solches erfunden. Was sie erfunden haben, sind die harten ‚Münzen’. Und von denen aus scheint ein steiniger Weg zu führen, bis die Rede sein kann von einem ‘fließenden’ Zahlungsverkehr. Oder findet sich der, so hieße eine lohnende Frage, etwa doch bereits im alten Babylon und seinen Schecks?
Ziemlich unförmige Brocken sind diese Münzen gewesen. Dicke Bollen aus ‚Elektron’, einem Amalgam aus Gold und Silber. Erst später nehmen die Batzen die Form runder Scheiben an. Bilder bekommen sie eingeprägt und Gewichtsmarkierungen (Punzen). Anfangs tragen diese Moneten, wie die Römer sie nennen werden, allerdings keinen Zahlenwert. Sie bemessen sich allein an ihrem Normgewicht (etwa 14 Gramm pro Stück). Als gesicherte Tatsache jedenfalls darf gelten, dass der lydische König seinerzeit derart hemmungslose Tage hingelegt hat, dass sein Name bis heute weiter kolportiert wird. Noch immer fällt er prompt dort, wo einzelne dadurch von sich reden machen, dass sie auf großem Fuß leben und sich aufspielen, als wären sie ‚Krösus’.
Ohne Moos nix los?!
Haben nun aber die lydischen Münzen, kaum erfunden, sogleich auch als Geld im heutigen Sinn gedient? Entlang der Devise ‚Ohne Moos nix los?’ Oder haben sie nur genormte Einheiten geliefert? Gewichte, die es zum Betrieb von Schätz-Waagen braucht? Können diese Klumpen allein den ‚ersten’ Krösus so überheblich gemacht haben? So berühmt und berüchtigt, wie es seine Legende besagt? Können überhaupt ein paar Münzen allen Broterwerb sofort auch ins Muster des reinen Gelderwerbs überführt haben? Sind sie augenblicklich auch als allgemeines Zahlungsmittel eingesetzt worden? Lässt ihr Vorhandensein sogleich auf eine voll etablierte Geldwirtschaft rückschließen? Auf durchgehend staatlich geregelten Zahlungsverkehr? Will man nicht einem Zirkelschluss erliegen und gedanklich voraussetzen, was man doch erst ergründen wollte, so wird man antworten müssen: ‚Wohl kaum!
Erfolgsmodell oder Sackgasse?
Allzu bunt geartet ist menschliches Tun, als dass es sich kurzerhand in klingende Münze verrechnen ließe. Soweit Güter ausgetauscht und Dienste füreinander geleistet werden, sind höchstpersönliche Motive im Spiel. Die Anlässe sind so vielfältig und die Überträgermedien so unterschiedlich wie die Charaktere der Beteiligten selber. Geldstücke allein werden dieses Multiversum der gegenseitigen Beziehungen immer nur ungenügend abbilden können. Aus gleichem Grund auch wird dem Hartgeld in dieser Hinsicht historisch immer nur eine untergeordnete Rolle zugekommen sein können. Bis wirklich von einer umfassenden ‚Geldwirtschaft’ die Rede sein kann, wird es daher noch Jahrhunderte dauern. (Und ob die ‚reine’ Geldwirtschaft schließlich als Erfolgsmodell oder als Sackgasse ins Buch der Geschichte eingehen wird, das bleibt ohnehin dem Urteil der Zukunft überlassen).
Folgt man zumindest Eske Bockelmanns minutiöser Darstellung „Im Takt des Geldes“,2 so beginnt die Neuzeit ganz sicher nicht vor dem Jahr 1600. Die ‚Neuzeit’, verstanden als die Epoche, die sich mit Haut und Haar dem ‚einen’ Medium ‚Geld’ unterworfen hat, Die Verengung auf ein einziges Leit-Medium mag zwar den Alltag in den europäischen Städten bestimmt haben (ca. ab den 1620er Jahren), sie reicht in der Wirkung deswegen aber noch lange nicht ins letzte Dorf hinein.1 Ablösen werden diesen Zustand schließlich einmal fröhliche Lauf-Schecks und ein Länder übergreifendes ‚Scheckgesetz’. Es wird die allgemeinverbindliche Grundlage für alle weiteren Formen des Zahlungsverkehrs legen. Aber bis dahin werden noch einmal etliche wechselvolle Jahre ins Land gehen. Mit Aufs und Abs. Mit Kriegen, Inflationen, Währungsreformen, Börsen-Crashs und Finanzkrisen aller Art….
Zahlen Sie lieber in lydischer Münze
oder mit babylonischen Schecks?
Eine Handvoll Münzen allein begründet bestimmt noch kein flächendeckendes Geld-System. Allenfalls bilden Münzen ein Medium von Fall zu Fall: ‚ein’ Zahlungsmittel unter vielen. An dieser Stelle angekommen, darf die ökonomische Lehrmeinung hierzu durchaus in Frage gestellt werden. Wenn sie z.B. von Hand ausgestellte Zahlscheine, Schecks also, kurzerhand als „Geld-Ersatzmittel“ abqualifiziert?! Wie will sie die verstörende Tatsache einordnen, dass SCHECKS bereits lange ‚vor’ dem MÜNZGELD in Gebrauch stehen? Denn unzweifelhaft bilden Schecks im Großraum von Mesopotamien bis Alt-Ägypten das frühe und allseits anerkannte Zahlungsmittel! (Vgl. auch den Post „Erstaunliches zur Scheckgeschichte“).
Wenn dies nun aber historisch der Fall ist, stellen sich Fragen! Wie denn soll der ‚Ersatz’, die KOPIE, ein Jahrtausend ‚vor’ dem vermeintlichen ORIGINAL bestanden haben? Erliegt hier die offizielle Lehrmeinung vielleicht einem allzu kurzen Schluss? Ist sie etwa in die Denkfalle des “Law of the Instrument“ getappt? Das besagt: Wer erst einen Hammer in der Hand hält, dem sieht bald jedes Problem wie ein Nagel aus?! Oder anders formuliert: Wer erst die goldene Münze für den einzig gültigen Maßstab hält, der sieht bald in jedem Phänomen nur noch das harte Geld, das mit ihm zu machen ist?!
Schecks, vergraben im Sand?
So weit verbreitet jedenfalls ist das Fehlurteil, dass viele die Nachricht, wonach Schecks dem Münzgeld tatsächlich um mindestens ein Jahrtausend vorausgegangen sein sollen, für Fake News halten. Und dennoch: An den archäologischen Befunden ist nicht zu rütteln! Auch wenn manches Weltbild darüber ins Wanken zu geraten droht, gibt es kein Vorbei am Tatbestand, dass die bargeldlose Zahlung über Schecks z.B. im Babylon des Königs Hammurabi (1728 – 1686 v.Chr.) gängige Praxis gewesen ist.
Insoweit die Schecks nicht auf Papier geschrieben gewesen sind, getippt auf Tasten, getoucht auf Displays, so eben geritzt auf gewachste oder tönerne Täfelchen! Die vielen ‚Scherbenhaufen’, die allein die Ausgrabungen Denise Schmandt-Besserats3 zutage gefördert haben, sprechen eine unwiderlegliche Sprache! Bei den Unmengen an Keilschrift-‚Tablets’ handelt es sich fast ausschließlich um ‚Zahlscheine’! Um bestätigte Zahlungen, Quittungen also, bzw. verbrauchte ‚Schecks’. Ansonsten sind Träger-Medien als solche – ob Tontäfelchen, aztekische Knotenschnüre oder indianische Rauchzeichen – ja ohnehin grundsätzlich austauschbar. Selbst Zigaretten haben nach 1945 einmal als Übertragungsmedium und Zahl-‚Währung’ gedient. Wichtig ist eben nur, dass Medien gleich welcher Art, ihre Schlüsselfunktion – Nachrichten zu transportieren, die ‚zählen’ – auch zuverlässig besorgen!
Was gilt? Geld oder Gelt?
Unbedingt lohnt es für den Zusammenhang den grundlegenden Begriff der ‚ZAHLUNG’ zu klären. Denn Zahlungen wurzeln im ‚Geltungsbereich’ von ‚Beziehungen’. Sie entspringen jedem einzelnen ‚Danke!’, gleich ob es nur empfunden oder auch geäußert wird. Somit sind sie wesentlich ‚moralischer’ Natur. Daher ist mit einer Zahlung die anonyme ‚Sache’ namens ‚Geld’ keineswegs vorausgesetzt. Ebenso wenig wie eine beliebige Ansammlung von Menschen als solche bereits eine definierbare Gemeinschaft bildet. Zur ‚Community’ wird sie erst, insoweit sie Gaben tauscht, gegenseitige Verpflichtungen eingeht und um gerechten Ausgleich besorgt ist.
Als ihre selbstverständliche Grundregel, macht eine Gemeinschaft aus, dass sie erbrachte Leistungen ausdrücklich anerkennt, ‚vergeltet’ und ‚vergütet’. Sie folgt damit der Regel, die einmal ‚Gelt’ oder ‚Gilt’ (engl. guilt) hieß. Im Maß wie sie dergestalt ‚Gelt’ praktiziert(!), d.h. angemessene Gegen-Leistungen findet und somit ‚rückerstattet’, findet, gründet und befestigt sie immer auch sich ‚selbst’! Ehrliche Arbeit, so heißt die Regel, verdient ihren gerechten Lohn. Diese Regel ‚gilt’! Selbstverständlich! Ebenso beinhaltet ‚Geltung’: ‚Auskömmliche Lebensverhältnisse’ müssen für jeden Menschen gelten, soll nützliche Arbeit überhaupt zustande kommen.
Alles klar? Das Wort drauf!
Nicht zwingend aber müssen ausgewogene ‚Entgelte’ die Form von Lohntüten annehmen. Eben nicht allein das Krösus-Prinzip besitzt Anspruch auf Geltung. Gold z.B. hatte fürs Volk der Maya lediglich dekorative, sinnbildliche Bedeutung, jedoch keinen Geld-Wert. Geltung besitzt Geld folglich nicht per se. Es sei denn, ihm kommt ‚Glauben’ zu. Seine Geltung muss ihm zuallererst ausdrücklich ‚zugesprochen’ worden sein! Oder, wie Jochen Hörisch knapp formuliert: „Ohne Geltung kein Geld!”4
Insoweit Geld Geltung beanspruchen ‚kann’, so rührt sie aus einem Zusammenhalt, der bereits ‚vorab’ gelten muss und der ‚Gelt’ im ursprünglichen Wortsinn bedeutet! Denn um eine Schuld, eine eingegangene Verpflichtung, einzulösen und sie in angemessener Weise zu ‚vergelten’, reicht es ebenso gut aus, sein ‚Wort’ zu geben. Auf die Weise eben, wie jedes beiderseitige ‚Die Hand drauf!’, seine eigene Währung begründet. Seine eigene Dauer und eigene Laufzeit. Denn insofern das Wort gehalten wird, und also ‚gilt’, ist alle Zahlung im selben Augenblick auch schon beglichen! Ganz ‚ohne’ Rückgriff auf hartes Geld!
Was letztlich zählt, ist doch, dass Worte ‚gelten’. Wo immer jedenfalls Wort gehalten wird und Zahlungsversprechen eingelöst werden, erwächst daraus jene ‚soziale’ Währung, die im althochdeutschen einmal GELT hieß. Der Nimbus des ‚Geldes’ kann davon immer nur zehren. GELD ist – in diesem Licht betrachtet – immer nur der blasse Abklatsch: das Afterphänomen zur GELTUNG!
Kleine Scheine, große Wirkung
Zur Ergänzung, damit Zahlungs-Vereinbarungen auch vorhalten und nicht versehentlich ins Vergessen rutschen, haben sich freilich kleine ‚Erinnerungsstützen’ noch immer empfohlen. Merkzettelchen z.B., die sich leicht anheften lassen. Tontäfelchen, um sie hinters Ohr zu klemmen. Oder Aufkleber, Buttons, Sticker, Nadeln, um sie an den Hut zu stecken. Gerade in solch unscheinbaren Scheinchen und Märkchen finden sich die Urformen von SCHECKS (als Anrechtsscheine) und MARKEN (als Berechtigungsmarken u.v.a.). Nicht von ungefähr sind sie in zahllosen Formen historisch im Umlauf gewesen! Dennoch repräsentieren sie ein weitgehend ungeschriebenes Kapitel der Geschichte. Leider sind Wirtschaftshistoriker und Antiquitätensammler der Gewohnheit verfallen, sie als wertloses ‚Ersatz-Geld’ oder ‚Klein-Geld’ einzustufen. Dabei läuft ohne sie fast nichts!
Was macht Papiere zu Wertpapieren?
Die bescheidenen Scheine stehen heute nicht weniger in Gebrauch als in früheren Zeiten. Als Pässe, Ausweise, ‚Personal Cards’. Von der Parkmünze bis zum Einkaufswagen-Chip. Sie haben die frühen Formen des gesellschaftlichen ‚Verkehrs’ am Laufen gehalten. Und sie tun es auch im Zeitalter der Digitalisierung. Nur leider fallen sie aus der Wahrnehmung heraus. Und das, obwohl sie in ihrer formalen Vielfalt obendrein ästhetisch Wirkung entfalten. Denn wenn es mal wieder heißt ‚Ihren Fahrschein bitte!’ oder ‚Ihre Essensmarke bitte?’ zeigt sich, wie sehr ihre Zahl-Qualität unterschätzt wird. Spätestens jedoch, wenn der nächste Türsteher demonstrativ den Kopf schüttelt und deutlich macht ‚Ohne Schein kommsch Du nüsch rein!’, sollte eine Neubewertung einsetzen!
Die Kleinteile verdienen Würdigung. Eben auch ‚kleine’ Scheine können ‚gute’ Scheine sein. Selbst wer sie nur für Ersatz-Geld hält, hat ihnen dennoch manches zu verdanken. Sie stehen nicht umsonst in ‚Geltung’! Immerhin taugen sie als Eintrittskarten für die größten Ereignisse. Und oft ist es gerade ihre symbolische und ästhetische Qualität, die Events erst zu Events macht. Die sie als solche erst möglich macht. Ansonsten spricht ja auch nie etwas dagegen, die vermeintlich belanglosen Mini-Mittel nach Belieben in ‚höherwertige’ Formen zu bringen. Wie z.B. ‚Verlobungs-Ringe’ oder die großen‚ Gut-Scheine, d.h. die großformatigen, symbolischen Schecks bei der Übergabe von Spenden. Denn man darf sicher sein: Für die Ehepartner oder die Spendenempfänger haben sie allerhöchste Bedeutung!
Schecks: Von Alt-Persien bis Alt-Ägypten
Mit anderen Worten: Bereits das dritte bis zweite vorchristliche Jahrtausend hat ein wesentliches Prinzip verstanden. Dem ‚Schein nach’ wertlosen Tontäfelchen hat es nichtsdestoweniger ‚Geltung’ zugesprochen! Schriftliche Buchführung dieser Art darf sogar auf den sagenhaften Zeitraum von 11.000 Jahren(!)5 zurückblicken. Emsig ‚gebucht’ worden ist demzufolge lange bevor Schrift auch ‚episch’ eingesetzt worden ist – als Medium fürs ‚Storytelling’. Es bleibt schlicht festzuhalten: ‚Konto-Führung’ und ‚Giro-Verkehr’ auf ‚Ton’-Basis sind für die vorchristlichen Jahrhunderte hinreichend nachgewiesen!6
Wer Zweifel hegt, mag sich etwa durch den Nachlass der Familien Egibi und Murashu überzeugen lassen.7 Auf die Zahl von 1700 Funden sind inzwischen allein die Egibi- Dokumente angewachsen! Exponate der beiden Großfamilien sind ausgestellt in den Museen der Welt – vom Louvre übers British Museum bis zum New Yorker Metropolitan. ‚Bankbelege’ allein aus diesen beiden genannten Dynastien sind seit langem „massiv bezeugt“ (D.O. Edzard).8 Ironischerweise in Staub zerfallen sind dagegen die Urkunden und Verträge, die eigentlich zur ‚Langzeit’-Verwahrung gedacht waren – nur leider nicht in Ton, sondern in Leder oder Pergament ausgeführt waren!
Gut dokumentiert demnach ist für diese beiden Häuser, dass sie nicht nur eigene ‚Geschäfte’ betrieben, sondern auch ‚Bankdienstleistungen’ erbracht haben. Sie haben beleghafte Zahlungen durchgeführt. Im Kundenauftrag. Versehen mit staatlicher Lizenz. Von Konto zu Konto. Übertragen im ‚Giral’-Verkehr. Gegen-gecheckt jeweils auf Vollständigkeit der Angaben, auf Authentizität und Deckungskraft. Vollumfänglich haben sie damit erfüllt, was ‚Bankfunktionen’ sind!
Zahl- und Zahlen-Tafeln, kurz: Schecks
Die Forschung kann diesen Befund rundum bestätigen! Etwa auch die direkt mit der Transkribierung der Egibi-Tafeln betraute Assyriologin Cornelia Wunsch. Denn was bedeutet es, bei Vorlage eines unscheinbaren Täfelchens, eine Zahlung zu erwirken oder weiterzureichen? Nach der Forscherin: „Das ist de facto eine Form der bargeldlosen Zahlung, ein Scheck!“9 Und Kollege Michael Jursa ergänzt: Die Egibis gehörten „zu einer Familie sehr reicher Geschäftsleute, die auch hohe Positionen in der königlichen Verwaltung innehatten“. Ihr guter Ruf verdankt sich der Tatsache, dass sie Zahlungen zuverlässig ausgeführt haben. Jursa: „Zahlungen konnten durch einfache Überweisung von einem Konto auf ein anderes erfolgen.“
Zusammengefasst lässt sich sagen: „Die babylonischen Buchführungstechniken und Rechtskonzepte waren hinreichend entwickelt, um ein Bankwesen zu ermöglichen“ – Sogar weit vor dem 6. Jahrhundert v.Chr. finden sich „Vorläufer auch in früheren Perioden der mesopotamischen Geschichte“. – „Buchhaltungstechniken und Schecks, die Zahlungstransfers stark erleichtert haben, gab es schon im Babylonien des ersten Jahrtausends.“ Kurz, mit seinen “Schecks“ kannte Babylon „ein bequemes, übertragbares Zahlungsmittel!“ 10
Bargeldlos in die Hunderttausende
Die Relikte dazu gehen in die Hunderttausende! Sie künden vom fröhlichen Zahlungsverkehr dieser Epoche. Denn schließlich bauen die frühen Staaten ja nicht auf Natural-Tausch! Dafür hätten sie gar nicht erst errichtet werden müssen! Nein, man muss ihnen attestieren: Sie pflegen den bargeldlosen Scheck-Transfer! Und das lange ‚bevor’ die lydische Erfindung überhaupt getan ist! Die Babylonier setzen dabei auf ein ‚doppeltes System’. ‘Gedeckt’ ist es durch Getreide! Die Ausnahme ist der Außenhandel, der in ‘Silber’ abgewickelt wird. Im Inland aber, so zeigt sich, ist der ‚reine’ Geld-Verkehr gar nicht vonnöten!
Erstaunlicherweise auch ohne hartes Geld dürfen sich die Babylonier blühender Landschaften erfreuen! Nicht nur an Weltwundern wie den ‚hängenden Gärten’, sondern auch an einem geradezu ultrastabilen Staatswesen. Und das über einen unvorstellbar langen Zeitraum hin! Wo Zahlungen anstehen – das scheint unerlässlich! –, da werden sie pünktlich ausgeführt. Gerne auch zur direkten Auszahlung in Korn. Meist aber symbolisch, als Zahlen-Buchung auf ein Konto. Zahlungen fallen in Babylons Ökonomie durchaus an. Diese beruht allerdings weniger auf dem Prinzip Markt als auf dem Prinzip der Redistribution oder Rückerstattung.
Sozialer Ausgleich, so heißt die Leitidee, denn ‚Marktplätze’ kennen die frühen Stadtstaaten nicht! Was dagegen zählt, ist die ‚Auskömmlichkeit’, wonach alle Einwohner einen gerechten Anteil am Staatsschatz erlangen. Ein Tausch-Markt als solcher ist zwar vorhanden, ist aber so schwach ausgebildet, als dass er Abhängigkeiten erzeugen könnte. Schließlich will ja auch die Palast-Verwaltung beschäftigt sein. Sie reguliert, sorgt und plant vor. Denn die Beamten legen sehr penibel ‚Kalkulationsblätter’ an. Listen, Listen, Listen. Auch dazu liegen hinreichend Funde vor! Und weitere werden archäologische Grabungen sicher noch ans Tageslicht bringen. Nach Stand der Dinge darf jedenfalls gesagt sein: Es täuscht sich, wer geregelten Transfer auf Giro-Konten für eine moderne Erfindung hält. Nein, diesen Zahl-Komfort gönnen sich längst auch die Alten!
Was ein ‚Staatsapparat’ leisten kann
Schon sehr früh demnach in seiner Geschichte übernimmt der Staat Aufsicht und Trägerschaft solchen Giral-Verkehrs. Er ermöglicht so ein reiches, vielfarbiges Zusammenleben. Ein reger Zahlungsverkehr ergibt sich daraus als sein symbolisches ‚Pendant’. Wobei ‚Zahlungen’ im Grunde genommen als ‚eingelöste Versprechen’ zu verstehen sind. Sie folgen auseinander: Aus leeren Versprechungen werden materialisierte, glaubhaft gemachte ‚Worte’. ‚Wie gesagt, so getan!’ Der Staat gewinnt in diesem Zusammenspiel seine unverzichtbare Rolle – im Maß, wie es ihm gelingt, diesen gesellschaftlichen Austausch zu befördern. Blühendes Leben. Konvivialität, erwächst daraus. Hierzu gesellt sich wie von selbst auch ihr symbolisches Pendant in Gestalt eines regen Zahlungsverkehrs. Die originäre Aufgabe des Staates, so befindet im Übrigen auch James C. Scott als der ausgewiesene Kenner zum Thema, erfüllt sich in solcher Rolle des ehrlichen Maklers. Letztlich besteht sie darin, ein unbestechlicher „Registrierapparat“11 zu sein. Insoweit dieser den Zustand (lat. status) friedlichen Austauschs zu fixieren weiß, notariell begleitet und darin wahrt, wächst ihm sein höherer Status auch sehr zu Recht zu.
Zu Protokoll bitte!
Soweit einem Staat gelingt, den Frieden im besten Sinne ‚statisch’ zu halten, so sehr, dass er auch ‚statistisch’ festzumachen ist, erfüllt er eine unersetzliche Aufgabe. Im Wesentlichen erfüllt sie sich darin, neutrale Registratur bzw. Diktaphon zu sein. Der Status ist insoweit bestmöglich gewahrt, insofern der Staat echte Stärke beweist. Indem er also das mit dem Impetus des ‚hohen Ernstes’ Gesagte, so unverfälscht zu ‚Protokoll’ nimmt, dass sich daraus die anstehenden öffentlichen Angelegenheiten (lat. res publica) bewältigen lassen. Sodass sie also den friedlichen Rahmen erhalten, innerhalb dessen sie sich zur Agenda formen und auf allgemeine Zustimmung hoffen können.
Gerät dagegen der Sprachstrom – die natürliche Quelle aller Demokratie! – ins Stocken, droht auch schon bald das Staats-Versagen. Denn die Gefahr des Seitenwechsels, der Umschlag vom Diktaphon zur Diktatur, ist immerzu gegeben. Oft genügen 24 Stunden, und der ‚Apparat’ findet sich unversehens eingespannt in einem Sklaven-Staat. Der wird es dann sein, der das Sagen übernimmt. Auch wird er sich mit dem Umschlag in diesen ‚anderen Zustand’ nicht länger damit aufhalten, nur ‚mit’-zuschreiben, sondern alsbald zum ‚Vor’-Schreiben übergehen!
Von Staats wegen unterwegs auf Staatswegen
Solange er freilich demokratisch bleibt, wird ein Staat das Gespräch unter seinen Mitgliedern nach Kräften stützen. Schlicht indem er gleichauf mit deren Unterhaltungen auch deren immer auch daran gekoppelten Unterhalts-‚Zahlungen’ in Gang hält. Insoweit handelt er dann als der redliche Makler, der sich darauf bescheidet, die legitimen Zugriffe der ‚Einleger’ am gemeinsamen Staats-Schatz in amtlicher Strenge und gerecht zu ‚verwalten’.
Grundsätzlich erfüllt sich solches Staats-Versprechen darin, wie gut er dieses gemeinsame Anliegen zuletzt auch bewältigt. Denn bekanntlich bilden die Korn-Speicher (‚Fiskus’ oder ‚Horreum’) jeweils unübersehbar den baulichen Mittelpunkt der frühen Stadt-Staaten. Diese Unübersehbarkeit signalisiert immer auch, dass jeder geschäftsfähige Bürger Anteilsrechte daran hat. Und somit also Zahlungen daraus bestreiten kann. Auch und gerade dank der formellen Bindung, die juristisch auch heute noch „Scheckstrenge“12 heißt, sind die Bürger der Früh-Antike so frei gewesen, um jederzeit beliebige Ein- und Aus-Zahlungen zu tätigen. Vermittels Inhaberscheck, adressiert an sich selbst. Ausgeführt in bar oder zur Verrechnung. Per Orderscheck gezielt adressiert an Dritte. Oder gerne auch als Spendenscheck zugunsten öffentlicher Anliegen!
Schecks brauchen ein Scheckgesetz
Die GRUNDFUNKTIONEN, so lässt sich erkennen, erfüllen sich darin, Schecks zum ‘Laufen’ zu bringen. Sie ‘current’ (Fachbegriff) zu machen und so zum bequemen Zahlungsmittel zu machen. Sie alle sind auf den Weg gebracht worden von Babylons Bankern! Lange also, bevor der Gebrauch von Münzgeld überhaupt ‚einsetzt’! Die gesamte Leistungspalette dessen, was ein Zahlungswesen ausmacht, ist geboten! Und das mehrere Epochen, bevor sich die moderne, abstrakte Auffassung herausbildet, bei Geld handele es sich um eine eigenständige, einheitliche Wert-Sphäre. Nein, einfach indem ‚Babylon-Schecks’ mühelos von Hand zu Hand laufen, entfalten sie bereits ihre förderliche Wirkung. Nicht unbedingt als Teil eines Geld-Systems, wohl aber als Teil eines Zahlungs-Systems. Aber das steht den modernen Formen in nichts nach!
Diese außerordentliche Vorleistung der Babylonier wird hingegen mit dem Verdämmern des Römischen Reichs auch wieder vollständig in Vergessenheit geraten. Wenn die mesopotamischen Strom-Reiche versunken sind, dann nicht durchs Versagen ihrer Ökonomie, sondern durch den Verlust der Fruchtbarkeit ihrer Böden. Nicht unähnlich den Römern, die ihre Kornkammern durch Plantagenwirtschaft sehenden Auges ruiniert haben. Es wird daraufhin dazu kommen, dass sogar der Gebrauch von Münzgeld – im frühen, ‚dunklen’ Mittelalter – ganz aussetzt! Jahrhunderte infolgedessen wird es daher brauchen, bis sich die Böden wieder regeneriert haben. Und mindestens solange wird es dauern, bis auch zahlungstechnisch wieder der Anschluss zu den babylonischen ‚Basics’ gefunden sein wird. Erst das 20. Jahrhundert, mit der Verabschiedung eines überregional geltenden ‚Scheck-Gesetzes’, wird hier wieder gleichziehen.
Dieses Scheckgesetz ist als Meilenstein anzusehen! Mit seinem Sechserpack an Mindestbedingungen, die es an ein Zahlungsmittel anlegt, bildet es den verbindlichen Rechtsrahmen für allen weiteren Zahlungsverkehr!
Mehr unter “Das fabelhafte Scheckgesetz und seine Vorgeschichte.”
Literatur (A-K):
- Bachem, Joseph: Der deutsche Scheck. Borna-Leipzig 1909.
- Bockelmann, Eske: Das Geld. Was es ist, das uns beherrscht. Berlin 2020. (URL)
- Bockelmann, Eske: Im Takt des Geldes (2004). Springe 2012.
- Davies, Glyn: A History of Money from Ancient Times to the Present Day. Cardiff 2002. (URL)
- Demandt, Alexander: Der Fall Roms. Die Auflösung des römischen Reichs im Urteil der Nachwelt. München 1984.
- Edzard, Dietz Otto: Geschichte Mesopotamiens. Von den Sumerern bis zu Alexander dem Großen. München 2009. (URL)
- Hörisch, Jochen: Kopf oder Zahl. Die Poesie des Geldes. Frankfurt am Main 1996.
- Houtman-De Smedt, Helma; van der Wee, Herman: Handel und Geldwesen im mittelalterlichen Europa. Die Entstehung des modernen Geld- und Finanzwesens Europas in der Neuzeit. In: Pohl, Hans (Hg.): Europäische Bankengeschichte. Frankfurt am Main 1993, S. 73 – 173.
- Hudson, Michael: The Development of Money-of-Account in Sumer’s Temples. In: Hudson, Michael; Wunsch, Cornelia (Eds.): Creating Economic Order. Record-Keeping, Standardization, and The Development of Accounting In The Ancient Near East. Baltimore 2004, p. 303 – 330.
- Jursa, Michael: Agricultural Management, Tax Farming and Banking. Aspects of Entrepreneurial Activity in Babylonian the Late Achaemenid and Hellenistic Periods. In: Briant, P.; Joannès, F. (Eds.) – La transition entre l’empire achéménide et les royaumes hellénistiques (vers 350-300 av. J.-C.). (Persika Vol. 9, 137 – 227). Paris 2006. (PDF)
- Kaenel, Hans-Markus von: Wer prägte die ersten Münzen? In: Forschung Frankfurt 2-2012, S. 83 – 86 (PDF).
- Klein, Ernst: Deutsche Bankengeschichte. Frankfurt am Main 1982.
Literatur (L-Z):
- Nunn, Astrid: Der Alte Orient. Stuttgart 2011.
- Pirngruber, Reinhard: The Economy of Late Achaemenid and Seleucid Babylonia. Cambridge 2017. (URL)
- Preisigke, Friedrich: Girowesen im griechischen Ägypten. Enthaltend Korngiro, Geldgiro, Girobanknotariat mit Einschluss des Archivwesens. Ein Beitrag zur Geschichte des Verwaltungsdienstes im Altertume. (1910). Hildesheim, New York 1971.
- Schmandt-Besserat, Denise: Vom Ursprung der Schrift. Spektrum der Wissenschaft“, 12/1978, S. 4 – 13 (URL)
- Scott, James C.: Seeing Like a State. How Certain Schemes to Improve the Human Condition Have Failed. New Haven and London 1998. (URL)
- Scott, James C.: Die Mühlen der Zivilisation. Eine Tiefengeschichte der frühesten Staaten. Berlin 2019. (URL)
- Spengler, Mark: Die Entstehung des Scheckgesetzes vom 11. März 1908. Frankfurt am Main 2007.
- Wunsch, Cornelia: Die Urkunden des babylonischen Geschäftsmannes Iddin-Marduk. Groningen 1993.
- Wunsch, Cornelia: Neubabylonische Urkunden. Die Geschäftsurkunden der Familie „Egibi”. In: J. Renger (ed.), Babylon: Focus mesopotamischer Geschichte, Wiege früher Gelehrsamkeit, Mythos in der Moderne. Saarbrücken 1999, S. 343 – 364.
- Wunsch, Cornelia: Das Egibi Archiv. Bd 1: Die Felder und Gärten. Groningen 2000.
- Wunsch, Cornelia: Geld und Kreditwirtschaft in neubabylonischer Zeit. In: J. Marzahn, G. Schauerte (Hg.): Babylon. Mythos & Wahrheit. Eine Ausstellung des Vorderasiatischen Museums, Staatliche Museen zu Berlin. Ausstellungsteil: Wahrheit Babylon, Katalogband: Wahrheit. Berlin und München 2008, S. 443 – 448. (PDF)
Anmerkungen:
- Vgl. z.B. Kaenel (2012)
- Eske Bockelmann (2004, 2012) macht den Beginn des eigentlichen Geld-Zeitalters, d.h. den fundamentalen ‚Takt-Wechsel’, der mit ihm beginnt, überzeugend fest am Beispiel des Barockdichters Martin Opitz (1597 – 1639). Diesem (und wohl nicht nur ihm allein!) fährt der Zeitenbruch um 1620 so massiv ins Fleisch, dass sich darüber sogar seine sinnliche Wahrnehmung verändert. Sie reicht bis ins Takt-Erleben von Musik und Poesie hinein. In seiner jüngsten Publikation (2020) gelingt es Bockelmann einen ganzen Katalog verbreiteter ‚Denkfehler’, wie sie sich rund ums Thema ‚Geld’ ranken, gerade zu rücken.
- Schmandt-Besserat (1978). Dieser Aufsatz nur als erster Hinweis. Relevant zum Thema sind natürlich auch alle weiteren Publikationen Schmandt-Besserats.
- Hörisch (1996), S. 16
- wie Anm. 3
- Preisigke (1910) 1971, S. 3
- Klein (1982), Bd. 1, S. 14 f.
- Edzard, Dietz Otto (2009), 251 f.. Vor allem die Arbeiten der Assyrologin Cornelia Wunsch geben hierzu weitere Auskünfte. Ihre Transkribierung der Egibi-Tablets kommt – in der Sache begründet – langsam voran und ist im Ganzen also noch nicht abgeschlossen, ist im Ganzen aber noch nicht abgeschlossen. Ein erster Band dazu (Wunsch 2000) liegt aber vor. Die prägnanteste Gesamtschau zum ‚Babylonian Banking’ dürfte Weltökonom Michael Hudson (2004) gegeben haben.
- Wunsch (2008), S. 447
- Jursa (2004) S. 168 ff.
- Scott (2019), S. 149
- näher erläutert bei: Toussaint (2009), S. 161, Abschn. 481
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